Newsletter

I/24  – 05.02.2024

POCUS Auge – auch für den Hausarzt!
von Matthias Somavilla und Christian Klimmer

An einem typischen Arbeitstag stellt sich eine 64-jährige Dame, die seit einigen Tagen unter Sehstörungen leidet, kurz vor Ende der Sprechstunde am Freitagmittag bei ihrem Hausarzt vor. Die Patientin berichtet über zunehmende Sehprobleme mit Schleiern und Flimmern, die seit einigen Tagen bestehen und sich verschlimmern. Die Patientin ist gut bekannt und leidet an Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 und einer rheumatischen Erkrankung. Alle Erkrankungen wurden und werden gut und ausreichend (medikamentös) behandelt.

Nun stellt sich in der Hausarztpraxis die Frage, wie die Patientin weiter abgeklärt werden soll oder ob eine dringende bzw. akute Überweisung zum Augenarzt oder in die nächste Augenklinik (Entfernung 100 km) notwendig ist. Im folgenden Fall wurde nach kurzer Anamnese und Untersuchung eine orientierende Ultraschalluntersuchung des betroffenen Auges durchgeführt. Dabei zeigte sich sonographisch das typische Bild einer Netzhautablösung und eine entsprechende Überweisung und Transport der Patientin in die nächstgelegene Augenklinik wurde veranlasst. Zusätzlich wurde die Dame beim diensthabenden Augenarzt mit der entsprechenden Diagnose angemeldet.

Dieses Beispiel zeit, dass der fokussierte Ultraschall des Auges nicht nur in der Notaufnahme und auf der Intensivstation, sondern auch in der Primärversorgung eingesetzt werden kann.

Indikationen für die Ultraschalluntersuchung des Auges durch Nicht-Augenärzte sind das Augentrauma, der nicht traumatische Visusverlust bzw. die nicht traumatische Visusstörung, der Pupillenreflex (wenn das Auge nicht geöffnet werden kann), der Verdacht auf retroorbitale Erkrankungen und der Nachweis eines erhöhten intrakraniellen Druckes durch Messung des Durchmessers des Sehnervenkopfes und seiner Nervenscheide.

Die Ultraschalluntersuchung wird folgendermaßen durchgeführt. Der Patient wird mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert. Zum Schutz des Auges kann eine selbstklebende Folie (Tegaderm) oder ein Gelkissen verwendet werden.  Der Untersucher muss das Auge fest geschlossen halten (Closed Eye Technik). Als Ultraschallsonde verwendet der Untersucher einen linearen Schallkopf (7,5 – 10 MHz oder höher) und platziert den Schallkopf ohne Druck (mit dem Finger auf der Wange oder Nase abstützen). Die Untersuchungszeit sollte so kurz wie nötig sein, und bei der Einstellung des Ultraschallgeräts sollte ein niedriger mechanischer Index (MI) und ein niedriger thermischer Index (TI) gewählt werden. Im Idealfall wäre eine okulares Preset wünschenswert (aber selten verfügbar).
Die Untersuchung wird typischerweise in einem Längs- und einem Transversalschnitt dargestellt. Bei der dynamischen Ultraschalluntersuchung wird der Patient gebeten, mit geschlossenen Augen in alle vier Richtungen zu blicken. Anatomisch lassen sich nun die Linse, der Glaskörper und die Augenhinterwand mit dem Sehnerv sehr gut darstellen. Eine Reihe von Krankheitsbildern können so auch für den Nicht-Augenarzt leicht und mit hoher Treffsicherheit dargestellt und erkannt werden.

Im Folgenden werden die Darstellung der Netzhautablösung und die Differentialdiagnose der Glaskörperabhebung dargestellt und diskutiert. Das sonographische Bild einer Netzhautablösung stellt sich als hyperechogene Linie oder Membran dar, die im Bereich des Sehnervs und der Ora serrata haftet. Eine vollständige Netzhautablösung stellt sich sonographisch als V-förmig dar. Im Gegensatz dazu stellt sich die Glaskörperablösung als hyperechogene Linie dar, die die Mittellinie kreuzen kann und in keinem Fall bis zum Sehnerv reicht. Es können auch Einblutungen in den Glaskörper auftreten, die sich sonographisch gut und einfach darstellen lassen. Während die Netzhautablösung einen akuten augenärztlichen Notfall darstellt und die sofortige Einweisung in eine entsprechende Einrichtung erfordert, kann bei der Glaskörperabhebung durchaus ein etwas langsamerer Weg mit elektiver Überweisung zum Augenarzt gewählt werden. Die Differenzierung ist mittels Augenultraschall auch durch den Hausarzt sicher und einfach möglich.

Vorteile des Augenultraschalls sind die einfache und intuitive Anwendung beim Patienten, das schnelle und einfache Erlernen der Technik und eine diagnostische Sicherheit bei unseren Patienten mit Augenproblemen, die wir in der täglichen Sprechstunde doch immer wieder sehen.

Neben dieser Anwendung stellt auch die Darstellung des Sehnervs zur Identifikation eines erhöhten intrakraniellen Druckes ein interessantes Anwendungsgebiet dar, auch wenn diese Fragestellung in der hausärztlichen Praxis wohl eher selten vorkommen wird.

Wir möchten nun alle ärztlichen Kollegen auch in der hausärztlichen Versorgung ermutigen, den POCUS Auge in ihr sonographisches Repertoire aufzunehmen. Eine Erweiterung bzw. Implementierung in die entsprechenden Curricula wäre von unserer Seite wünschenswert.

Abschließend dürfen wir noch Werbung für unsere Webinare der ÖGUM machen. Das Thema im März (Mittwoch, 13. März um 18:00) lautet passend zum Newsletter: „Lass das nicht ins Auge gehen! Wie uns der Augenultraschall im Notfall (ganz einfach) den Blickwinkel erweitert“. Als Referentin konnten wir Frau Beatrice Hofmann von der Harvard Medical School gewinnen.

Arbeitsgemeinschaft für Allgemeinmedizin ÖGUM – https://www.oegum.at

Kontakt: christian.klimmer@gmx.at

 

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VII/23  – 17.12.2023

Weihnachts- und Neujahrsgruss
von Ruth Thees-Laurenz

Ein weiteres Jahr geht langsam zu Ende.

Zu unserer aller Freude unterstützen uns seit Anfang dieses Jahres bei der Gestaltung der Website „Hausarzt-Ultraschall.net“ nun auch Kollegen aus Österreich.

Hierdurch sind neue Strukturen zum Austausch über die Evidenz des Ultraschalls in der Hausarztpraxis geschaffen worden.

Inzwischen ist es keine Frage mehr, ob junge Ärztinnen und Ärzte am Anfang ihrer Berufstätigkeit im Ultraschall ausgebildet werden sollen. Viele bemühen sich z.Zt. um die Erstellung von Ausbildungscurricula, damit zu Recht eine Ausbildung, die sich an die jeweiligen Bedürfnisse der späteren Tätigkeit anpasst, gewährleistet und auch eingefordert werden kann. Dies nicht nur in der Schweiz, Österreich und Deutschland, zuletzt europaweit, wenn nicht sogar weltweit.

Hierzu versuchen wir einen Beitrag zu leisten. So konnten wir in neuer Präsenz bei dem Hauptkongress des Ultraschalls, dem Dreiländertreffen in Mainz im Oktober Fortbildungen für die tägliche Praxis gestalten. Ebenso während dieser Tage in den entsprechenden Arbeitskreisen der DGUM, ÖGUM und SGUM einen Austausch mit jungen Kolleginnen und Kollegen anregen.

Wir freuen uns, dass sich vermehrt junge Kolleginnen und Kollegen in die Ausbildung einbringen. Weiterhin freuen wir uns wie bisher sehr über Anregungen durch Sie!

Wir wünschen Ihnen auf diesem Weg eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Start in das Jahr 2024!

Ruth Thees-Laurenz

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V/23  – 4.9.2023

Cuscino – Ein Abschied vom Sommer!

von Matthias Somavilla und Christian Klimmer

Nachdem sich nun der Sommer und die dazugehörige Grillsaison in schnellen Schritten und in sich abwechselnden Gewitterfronten verabschiedet, möchten wir im aktuellen Newsletter eine Brücke vom Grill zu unserer sonographisch gestützten klinischen Tätigkeit in der Allgemeinmedizin schlagen.

Cuscino – Was soll denn das schon wieder sein?

Beim Cuscino handelt es sich um ein besonderes Stück Fleisch vom Schulterdeckel des Schweines, dies eignet sich hervorragend zur Zubereitung am Grill. Es ist perfekt zum Kurzbraten und bleibt dabei auch besonders saftig und zart. Wir Mediziner kennen diesen doch sehr wichtigen Muskel als Teil der Rotatorenmanschette nämlich den Musculus subcapularis. Dieser Muskel hat eine wichtige Funktion als Stabilisator der Schulter und ist der einzige Innenrotator der Rotatorenmanschette. Sonographisch ist Muskel auch gut darzustellen.

Nun vom Grill in unsere tägliche Arbeit als sonographierender Hausarzt mit einer passenden Kasuistik und einigen Hintergrundinformationen. Schulterprobleme kommen häufig und regelmäßig in unseren Praxen vor. Neben der klinischen Untersuchung bietet uns der Ultraschall eine gute und zuverlässige diagnostische Hilfe im Rahmen der Abklärung und Behandlung von Schulterproblemen. Die Patienten suchen doch recht häufig aufgrund von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der Schulter unsere Hilfe. Ursächlich sind Entzündung des Schleimbeutels, Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen (Impingement), Teilrisse oder komplette Risse der Rotatorenmanschette, Kalkschultern, Arthrosen im Schultereckgelenk und/oder dem Schultergelenk und viele weiter …. Mit Hilfe der klinischen Untersuchung und der Sonographie können wir die meisten Probleme der Schulter erkennen und benennen und somit auch adäquat therapieren. Weitergehende Untersuchungen wir Röntgen und vor allem das MRT sollten zielgerichtet und weise eingesetzt werden. Die Darstellung der gesamten und umfassenden Schultersonographie würde den Rahmen sprengen und deshalb möchte ich im Folgenden einen Fallbeispiel aus der eigenen Praxis präsentieren, um damit auch die Möglichkeit der Sonographie des Bewegungsapparates auch beim Hausarzt zu demonstrieren.

Im Oktober des letzten Jahres stellt sich ein 70-jähriger männlicher Patient mit Schmerzen und Bewegungseinschränkung in der linken Schulter in der Praxis vor. Anamnestisch hat sich der Patient bei Abstieg von einem Traktor sich an der linken Schulter verletzt. Vom Unfallmechanismus ist bei fixierter Hand am Fahrzeug der Patient abgerutscht und die Schulter wurde ruckartig abduziert/eleviert und außenrotiert. Der Patient verspürte sofort einen Schmerz in der Schulter und ein Knacken war hör- und fühlbar. Am Folgetag sucht er uns in der Ordination aus. Nach kurzer Anamnese und klinischer Untersuchung zeigte sich eine schmerzhafte deutlich bewegungseingeschränkte Schulter. In der anschließenden POCUS zeigte sich die Supraspinatussehne und Infraspinatussehne intakt, führend war eine Ruptur der Subscapularissehne und eine Luxation der langen Bizepssehne aus dem knöchernen Kanal in Richtung Ansatz der SSC-Sehne. Somit konnte in kürzester Zeit die richtige Diagnose gestellt werden. Aufgrund des Anspruches des Patienten an die Schulter bei aktivem Berufsleben als Landwirt und Schilehrer führte wir im Anschluss noch eine zeitnahe MRT-Untersuchung der Schulter durch, welche den sonographischen Befund bestätigte und eine gute Qualität des gerissenen Muskels zeigte. Nach Zuweisung zum Schulterchirurgen erfolgt in der darauffolgenden Woche die arthroskopische Refixation der Sehne und die postoperative Nachbehandlung mit Schultergurt und Limitation der Außenrotation auf 0° für 6 Wochen ab OP und natürlich eine begleitende Physiotherapie nach Anweisung des Operateurs. Kompliziert wurde der postoperative Verlauf durch einen Wundinfekt (Risiko Landwirt), welcher gut beherrscht werden konnte. Der Patient hat sich von seiner Verletzung gut erholt und ist weiterhin ohne Einschränkung als Schilehrer und in seiner Landwirtschaft tätig.

Abb.1+2: Sonographie der linken Schulter: Zeigt eine komplette Ruptur der SSC-Sehne, Linearer Schallkopf, ventraler-transversaler Schnitt; SSC – Subscapularissehne, OA – Oberarmkopf, T.m. – Tuberculum minus

      

Die Conclusio aus dem Fallbeispiel zeigt die besondere Stellung der Sonographie auch in der Hausarztpraxis. Mit dem Ultraschall lassen sich Verletzungen der Sehnen und weitere Pathologien gut und schnell schallen und darstellen. In diesem besonderen Fall ist eine rasche Diagnostik wichtig, da gerade der Subscapularis in kurzer Zeit (Wochen) retrahiert und baldig atrophiert und somit eine Refixation zunehmenden schwieriger wird und die postoperativen Ergebnisse natürlich auch schlechter werden. Eine zielgerichtete Abklärung und gegeben falls indizierte Zuweisung zum MRT und/oder Spezialisten gehört zu den Aufgaben des Hausarztes (Abwenden eines gefährlichen Verlaufes vs. Abwartendes Offenlassen). Limitationen sind vor allem die Verfügbarkeit eines gute Ultraschallgerätes mit entsprechender Sonde in der Ordination und auch die entsprechende Ausbildung und Erfahrung des Sonographeures. Diese Kasuistik sollte zeigen, dass gerade beim Hausarzt die Abklärung mittels Ultraschalles des Bewegungsapparates neben der Klinischen Untersuchung (welche häufig unterschätz oder einfach zu wenig genau gemacht wird – Zeitdruck in Alltag) eine wichtige Säule sein kann und uns Behandlern hilft rasch eine adäquate Diagnose in kurzer Zeit zu stellen und eventuell unnötige Untersuchungen zu verhindern beziehungsweise zu reduzieren.

Liebe Grüße aus dem vorwinterlichen Tirol wünschen wir allen sonophilen Hausärzten.

 

Matthias Somavilla

Christian Klimmer (christian.klimmer@gmx.at)

 


IV/23  – 3.7.2023

Spezialität Hausarztultraschall?

von Heinz Bhend, Aarburg

Gibt es etwas, das den Ultraschall in der Hausarztpraxis speziell auszeichnet, allenfalls sogar ein “Alleinstellungsmerkmal” ist?

Die kürzlich bei sonographierenden Hausarztkollegen und -kolleginnen in der Schweiz durchgeführte Online-Umfrage zeigte, dass ein Grossteil der Sonographien  (50 % und mehr) in der gleichen Konsultation durchgeführt werden. In der Umfrage wurde nach “Ad Hoc-Sonographien” gefragt. Der Begriff POCUS (Point of Care) wird unterschiedlich genutzt und hat sich gewandelt. Ein während einer Konsultation durgeführter  (“Ad Hoc”) Ultraschall ist auch POCUS. Diese spezielle POCUS-Situation ist ein Merkmal des hausärztlichen Ultraschalls, anlog zum Präsenz-Labor und Praxis-EKG.

Ein weitere Auszeichnung  ist das weite Spektrum. Sicher ist und bleibt die Abdomen-Sonographie das Zentrum, die Basis, der Ausgangspunkt und eignet sich bestens um Sonographie-Kompetenz zu erwerben und unter Beweis zu stellen. Längst hat sich das Indikationsspektrum über den Bauchraum hinaus erweitert. “Unsere Homepage” (www.hausarzt-ultraschall.net) illustriert dies bestens. Bei meinem Start in die Sonographie war der Thorax, der Darm und der Schädel ein “no go”. – Geblieben ist nur noch der Teil innerhalb des Schädelknochens. Der Darm ist längst sonographisch adoptiert worden. Im Thoraxbereich ist die Sonographie bei Pleuraergus, Pneumothorax und Rippenfrakturen sogar die Methode der Wahl. Die Pneumonie-Diagnostik wird gerade durch den Ultraschall ergänzt, evtl sogar revolutioniert. Der Nachweis eines Perikardergusses gehört zum  Lernzielkatalog der POCUS-Ausbildung.

Die Gefäss-Sonographie v.a. die Thrombose-Abklärung ist aus der Hausarztpraxis nicht mehr wegzudenken. Mit einem einfachen Abklärungsschema (Bsp. in-a-nutshell –> https://www.inanutshell.ch/module/angiologie-in-der-hausarzt-praxis/) kann (“Ad Hoc”) eine Thrombose ausgeschlossen oder nachgewiesen werden. Kern der Untersuchung ist der KUS , der Kompressionsultraschall. Dieser ist sehr einfach zu erlernen, hat hohe Spezifität und Sensitivität, dass man sagen kann:  “KUS ein  Muss – für die Hausarztpraxis”.

Weitere Gefässe sind die Bauchaorta und die Carotiden. Die Suche nach einem AAA (Abdominales Aorten- Aneurysma) ist eine hausärztliche Domäne und gemäss Guidelines ab 65 Jahren bei Männern und Raucherinnen empfohlen. In den Carotiden können Plaques und eine Intimaverdickung nachgewiesen werden.

Bleibt noch das grosse Spektrum “Weichteile und Bewegungsapparat”. Auch dieser Bereich ist oft “Alltagsroutine” in der Hausarztpraxis. Sehnenrupturen, Bandläsionen könen nach solider Instruktion und regelmässigem Üben bald zuverlässig nachgewiesen oder noch viel häufiger und besser ausgeschlossen werden. Infiltrationen und Punktionen werden zunehmend unter (sonographischer) Sicht durchgeführt. Einzelne Patienten in unserer Praxis ziehen eine sonographisch gesteuerte Venenpunktion mehrfachen “Sondierbohrungen” durch die Praxisassistentin vor.

Was soll das Ganze? – Worauf will ich hinaus?

Hausarztmedizin ist längst als Spezialität anerkannt.
Für mich stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre ein hausarztspezifisches Sonographie-Curriculum zu lancieren. Möchte man gemäss SGUM-Kriterien die entsprechenden Fähigkeitsausweise (Abdomen, Gefässe, Bewegungsapparat usw) erwerben müsste man total: 425 Sonographien unter Supervision und zusätzlich 525 dokumentierte eigene Untersuchungen durchführen. Ferner fallen Kurskosten von zirka 15’000 Franken an.
Die POCUS-Schiene ist auch nicht zielführend. Von 15 möglichen POCUS-Modulen müsste/könnte man für die Hausarztpraxis deren 7 absolvieren.
In den Schweizer Kliniken fehlt es an Ausbildungsplätzen und an Tutoren. Wer sich als zukünftiger Hausarzt Sonographie-Kompetenz aneignen möchte, kann dies oft nicht infolge fehlender Ausbildungsmöglichkeiten. Eine Alternative wäre – was auch für andere Aspekte der Hausarztmedizin gilt – Ultraschall  in der Hausarztpraxis zu erlernen.

Soweit als Denkanstoss!

Mit besten Wünschen für die Sommerferien und v.a. weiterhin viel Freude am hausärztlichen Ultraschall.

Heinz Bhend

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III/23  – 1.5.2023

Ultraschall in der Hausarztpraxis.  Status quo in Österreich.

von Dr. Matthias Somavilla  und Dr. Christian Klimmer

Wie in anderen europäischen Ländern kämpft auch Österreich mit ähnlichen Problemen im
Bereich der Allgemeinmedizin. Unbesetzte Hausarztstellen vor allem in ländlichen Gebieten
werden immer mehr und führen in weiterer Folge zu einer Unterversorgung in
strukturschwachen Regionen und auch zu einer vermehrten Belastung von Notfall- und
Spitalsambulanzen.
Die Gründe dafür sind vielschichtig.
Es bestehen schon seit längerer Zeit Bestrebungen, den niedergelassen Bereich zu stärken
und zu fördern. Problematisch war sicher bis dato die föderale Struktur der
Gesundheitslandschaft (9 Bundesländer) und die unüberschaubare Finanzierung der
Gesundheitsleistungen sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im stationären Bereich.
Der Ultraschall spielt in vielen Hausarztpraxen eine wichtige Rolle, wobei es auch hier
regionale Unterschiede gibt. Wird in den westlichen Bundesländern Vorarlberg und Tirol der Ultraschall des Bauchraumes von den Krankenkassen bezahlt, kann in den restlichen
Bundesländern die Untersuchung mit Ultraschall nicht verrechnet werden, d.h. der Arzt bzw. die Ärztin macht die Ultraschalluntersuchung kostenlos oder stellt dem Patienten eine
Privatrechnung. Intensive Bemühungen laufen hier schon seit Jahren (wenn nicht
Jahrzehnte) um endlich einen einheitlichen und modernen Leistungs- und Honorarkatalog
für ganz Österreich einzuführen. Ziel sollte es sein die Allgemeinmedizin zu attraktiveren und so zu gestalten, dass gerade junge Mediziner den Beruf des Hausarztes wählen. In diese Kerbe schlägt auch der Masterplan Allgemeinmedizin, der von der Österreichischen
Gesellschaft für Allgemeinmedizin bereits 2018 präsentiert wurden. In diesem
wegweisenden Papier werden Lösungsansätze und Vorschläge aufgezeigt, um die
Allgemeinmedizin in der Zukunft zu stärken und für junge angehende Mediziner attraktiv zu machen. Für uns zentral ist die Forderung, dass die sonographisch-unterstütze körperliche Untersuchung als Standard definiert werden sollte (M4/3.3 – Modernes Leistungsspektrum ermöglichen).
Weitere Punkte sind die Implementierung des Facharztes für Allgemeinmedizin, eine systemische Wertschätzung, eine adäquate Finanzierung und ein moderner Leistungskatalog (ohne Vollständigkeit- Nachzulesen unter: https://oegam.at/masterplan). Wir vom Arbeitskreis Allgemeinmedizin der ÖGUM beschäftigen uns schon seit längerem mit dem Thema einer fundierten und für Allgemeinmediziner tauglichen Ausbildung zur Sonographie. Bestrebung diese in das Studium und in die klinische Ausbildung einzubinden (Turnus) sind im Laufen und vielversprechend. Ebenso konnten wir ein Curriculum für Allgemeinmedizin entwickeln und möchten noch dieses Jahr mit den ersten Kursen beginnen. Das Curriculum startet mit der Ausbildung zur Notfallsonographie und baut darauf mit dem Kurs „präklinische Sonographie Allgemeinmedizin Teil 1 & 2“ auf. Nach entsprechender Fallsammlung und final teaching kann das Zertifikat „POCUS
Allgemeinmedizin“ erlangt werden.
Ziel des Arbeitskreises ist es und wird es in Zukunft sein, dass möglichst viele Hausärzte in Einzelpraxen, Gruppenpraxen oder in den von der Politik favorisierten Primärversorgungszentren den Ultraschall in ihrer täglichen Praxis anwenden und verwenden.
Diese Untersuchungsmodalität in den Händen des versierten Hausarztes bringt
eine deutliche Verbesserung der klinischen Behandlung und Betreuung unserer
Patienten (eignes Statement und Meinung). Gerade unsere jungen Kollegen sind
diesbezüglich aufgeschlossen und wissbegierig, und zeigen enorme Interessen am Point-of-Care-Ultrasound.
Der Nutzen ist für die Notfallambulanzen gut belegt und auch Arbeiten aus dem Primärversorgungsbereich zeigen, dass der Ultraschall heutzutage ein unverzichtbares Instrument geworden ist. Weitere Arbeiten und Studien diesbezüglich werden in der Zukunft folgen.
Abschließend freuen wir uns auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen aus Deutschland und der Schweiz im Rahmen von Ultraschall in der Hausarztpraxis mit
spannenden Beiträgen und einem Treffen im Rahmen der Dreiländertreffens in Mainz.
Dr. Matthias Somavilla, Fulpmes
Dr. Christian Klimmer, Flirsch
Arbeitskreis Allgemeinmedizin der ÖGUM
www.oegum.at

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II/23  – 2.3.2023


Vorab ein paar Informationen aus der Redaktion:

  • Wir haben zwei neue Mitglieder im Redaktionsteam – aus Oesterreich!! – Willkommen Christian und Matthias !!  – Details hier 
  • Aktuell: Webinar der Oegum zum Thema “Sonographie in der Allgemeinmedizin”  Mittwoch 22.3.2023 – 18.00 bis 19.30    Anmeldung hier
  • Dreiländertreffen 11. – 14.10. 23 in Mainz  – da werden wir einen Allgemeinmedizin-Track bestreiten!! – Bitte Datum vormerken und v.a. anmelden!

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Sonographie der Hoden

von Ruth Thees-Laurenz

In den vergangenen Monaten wurden mehrere Fälle von Hodenkrebs im Spitzensport publik.  Neben Sébastien Haller vom BVB Dortmund 3 weitere Betroffene allein in der Fußball-Bundesliga. Auch der norwegische Ski-Olympiasieger Aksel Svindal äußerte sich kürzlich öffentlich über seine Diagnose. Er betont, wie wichtig eine Früherkennung sei.
Zudem ist zu lesen, dass in Deutschland durch die Abschaffung der Wehrpflicht und der hiermit verbundenen die Musterungsuntersuchung eine Vorsorgeuntersuchung weggefallen sei.
Urologen raten jungen Männern daher plakativ, wie in dem Magazin „Spiegel“ 2017 unter dem Titel „Nimm die Eier in die Hand“ veröffentlicht zur monatlichen Selbstuntersuchung.
Diese Aufforderung erreicht aber nicht viele junge Männer. Die meisten Fälle von Hodenkrebs treten auf, wenn die Männer ein Alter zwischen 25-45 Jahren aufweisen. So in einer Lebensphase, in der ein Arzt, besonders auch ein Urologe nicht oft aufgesucht werden muss.
Bemerkt ein Mann einen auffälligen Tastbefund kann es sein, dass die Patienten zunächst die die Hausärztin oder den Hausarzt konsultieren, besteht doch zu diesen oft ein über die Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis.
Die Sonographie der Hoden und des Skrotums ist der nächste Schritt in der Diagnostik, sie ist ebenso indiziert bei Patienten mit Hodenschmerzen, nach einem Trauma, bei Infertilität, Hypogonadismus, Gynäkomastie und als postoperative Kontrolle nach Operationen.
Die Untersuchung des Skrotums ist unter Kenntnis der Anatomie leicht durchzuführen, vergleichbar der Schilddrüsensonographie, sind doch auch Echomuster und Echogenität des Parenchyms ähnlich.

Verwandt wird ein hochauflösender Linearschallkopf von 7,5–10 MHz. In Rückenlage werden mit einem Tuch oder mit der Hand die Hoden fixiert. Die Hoden und der Skrotalinhalt werden systematisch in longitudinaler und transversaler Ebene untersucht.
Eine Übersicht über das sonographische Bild gibt Ihnen folgende Grafik:

In absehbarer Zeit werden wir Ihnen auf der Internetseite weitere Befunde demonstrieren.
Aber auch bis dahin:
Sprechen Sie doch ruhig einmal das Thema bei einer Konsultation junger Männer in ihrer Praxis an und weisen Sie sie auf die Erkrankung hin. Hodenkrebs gehört zu den prognos¬tisch günstigs¬ten bösartigen Neu¬bil¬dungen, eine Früherkennung kann den Krankheitsverlauf deutlich verkürzen und die zur Heilung erforderliche Therapie vereinfachen.
Wir laden sie herzlich ein ihr Spektrum der Ultraschalldiagnostik zu erweitern und die Sonde in die Hand zu nehmen.

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I/23  – 5.1.2023

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Ultraschall aus der Optik eines Medizinstudenten

Mein Name ist Ansgar R. Ich studiere Humanmedizin an der Universität Duisburg-Essen und befinde mich aktuell am Ende des 8. Semesters. In diesem Newsletter möchte ich die Relevanz der Sonographie aus meiner studentischen Sicht hervorheben.

Aufmerksam auf das Thema Ultraschall wurde ich über meinen Vater, welcher hausärztlicher Internist ist. Schon als Schüler bekam ich mit, dass viele Diagnosen mit Hilfe der Sonographie gestellt werden können und es ein wichtiger, ja gar unabdingbarer Aspekt der klinischen Untersuchung bei vielen Allgemeinmedizinischen und Internistischen Fragestellungen ist.
In den ersten Semestern spielte der Ultraschall gar keine Rolle. Integriert in die Lehre der Osteologie und Anatomie waren zwar zu kleinen Teilen Röntgen, sowie CT- und MRT-Seminare, der Kontakt zur Sonographie war jedoch nicht gegeben. Auch in vielen anderen Seminaren oder vorklinischen Untersuchungskursen war immer nur die Rede davon, dass man bei Verdacht auf verschiedenste Erkrankungen ein CT-, MRT- oder Röntgen machen kann. Aber so richtig schien das auch schon aus früher studentischer Sicht kein sinnvolles Modell zu sein, da die Ressourcen CT- und MRT sehr begrenzt sind, was auch einem jungen Studenten bewusst war.
Trotzdem wurde der Ultraschall als Diagnostisches Mittel weiterhin stiefmütterlich betrachtet und gekonnt ignoriert. Viele meiner Kommilitonen, welche nicht durch den familiären Background vorgeprägt waren, hatten bis zum 4.Semester keine wirkliche Vorstellung, was man mit der Sonographie alles untersuchen kann. Bei mir war es zwar insofern anders, als dass ich wusste, dass man enorm viel mit Ultraschall machen kann, dem enormen Umfang war ich mir jedoch trotzdem nicht bewusst.

Im 4.Semester wird regulär verpflichtend das „Seminar Ultraschallanatomie“ als praktischer Kurs angeboten. Dies ist ein Kurs, welcher von Studenten für Studenten im Sinne eines Peer-Teachings gehalten wird.
Über die Beispielerkrankungen und integrierten Pathologien im Laufe der Kurstage bekommen die Studenten immer stärker ein Gefühl dafür, wie viele Sachen sich hiermit diagnostizieren lassen. Mit Ausnahme des Gastrointestinaltraktes wird eine grundlegende sonographische Untersuchung aller Organe des Abdomens und zusätzlich noch eine strukturierte FAST-Untersuchung beigebracht. Im Semester nach meinem eigenen Kurs habe ich dann angefangen als Tutor im Vorklinischen Sonographiekurs mitzuwirken, welchen ich mittlerweile leite. Dass der Ultraschall nicht nur für einige wenige Relevanz hat und in der Breite der Studierenden seinen Platz gefunden hat, zeigt, dass der Kurs in den vergangenen Jahren mehrfach den (von Studenten vergebenen) vorklinischen Lehrpreis der Medizinischen Fakultät gewonnen hat.

Im Laufe der Zeit stieg meine Begeisterung für die Sonographie stetig, weswegen ich meinen Vater auf verschiedene Ultraschallkongresse, Fortbildungen und mehreren Famulaturen begleitete. Immer stärker lernte ich hierbei, dass man Ultraschall nicht nur für die bisher „allseits bekannten“ Abdomenuntersuchungen nutzen kann, sondern auch Knochenbrüche wie z.B. Rippenfrakturen oder Lungenödeme diagnostizieren kann. Ohne die Möglichkeit des Ultraschalls hätten die Patienten entweder sehr lange z.B. auf einen MRT-Termin warten müssen, sich einer hohen Strahlenbelastung im CT aussetzen müssen oder einer Röntgenuntersuchung, die häufig kleine nicht-dislozierte Rippenfrakturen gar nicht darstellen kann. Bei diesen Fällen konnte mit Hilfe weniger Handgriffe den PatientInnen schnell, unkompliziert und ohne Strahlenbelastung eine sichere Diagnose gestellt werden.

Mit Fortschreiten des Studiums wurde das Thema Ultraschall mehr und mehr aufgegriffen und auch Möglichkeiten der Interventionellen Sonographie gelehrt. Die sichere, ultraschallgestützte Anlage eines ZVK´s, Zysten-& Pleuraergusspunktionen, TIPS-Shunt-Anlage bei Leberzirrhose, CEUS bei suspekten Veränderungen, Echokradiographie und vielen weiteren speziellen Gegebenheiten sind hierbei nur einige Beispiele. Das dies häufig jedoch nur in entsprechenden Fachrichtungen und Krankenhäusern gebraucht wird, ist mir bewusst.

Die überrausragenden Einsatzmöglichkeiten in der ambulanten und hausärztlichen Versorgung sind allerdings keinesfalls minderbedeutend. Der Ausschluss einer TVT, Carotisuntersuchung als „Spiegel der Coronararterien“ auf Plaques, ultraschallgestützte Blutentnahme aus tiefen Venen bei Patienten mit schlechtem Venenstatus, Pneumonieausschluss, Volumenstatus, oder auch der Ausschluss eines Meniscusrisses sind Möglichkeiten einer erweiterten Ultraschalluntersuchung, die man ohne großen Aufwand erlernen kann. Für viele dieser Anwendungsgebiete gibt es im hausärztlichen Setting häufig keine adäquate Alternative oder sind nur mit großem Aufwand für den Patienten zu bewerkstelligen.

Kurz gesagt: Eine moderne Medizin ohne Sonographie erscheint mir nicht mehr möglich!

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VI/22  – 5.11.2022

Viktor Rüttermann, Drensteinfurt-Walstedde (D)

Kasuistik: Thorakale Schmerzen nach Sturz

 

Herr S., 68 Jahre stellt sich nach einem eigentlich harmlosen Sturz vor vier Tagen mit anhaltenden Schmerzen im Bereich der 7. Rippe links in der Medioklavikularlinie vor. Er ist verunsichert und möchte wissen, ob hier eine Rippe gebrochen sein könnte.

Was würden Sie tun? Könnte eine sonographische Untersuchung die Frage unmittelbar klären?

Die Auflösung finden Sie hier: https://hausarzt-ultraschall.net/fall-des-monats-11`22/

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V/22 – 5.9.2022

Heinz Bhend, Aarburg (CH)

Kontrastmittelsonographie in der Hausarztpraxis?

Noch vor wenigen Jahren, war ich der Überzeugung, die Kontrastmittelsonographie ist etwas für “Freakes”. Irgendwie hat mich aber dann der Gedanke nicht mehr losgelassen und ich habe die Kurse I und II bei Prof. Dirk Clevert *) in München besucht. – Diese Kurse waren ein Highlight meiner über 30 jährigen “Sonographie-Karriere”. Seither mache ich gelegentlich eine Ultraschalluntersuchung mit Kontrastmittel. Noch etwas hat sich verändert; dazu eine Analogie. Vor Jahren habe ich den Fahrausweis Kat C1 gemacht. Was in Deutschland oft noch im normalen PW-Ausweis inklusive ist, muss in der Schweiz zusätzlich erworben werden. Konkret heisst das: Fahrstunden auf grossem Fahrzeug (Kleinlastwagen oder Personentransporter) und dann Prüfung. – Nach dieser Zusatzausbildung fahre ich anders mit dem PW – oder habe zumindest das Gefühl davon. Etwa ähnlich ging es mir mit der (unnötigen?)  Kontrastmittel-Sonographie-Ausbildung. Diese hat mir nach meiner Wahrnehmung sehr viel gebracht für die Sonographie ohne Kontrastmittel.
Zwei Fälle dieses Jahres haben sich eingebrannt und mir die Überzeugung bestätigt, dass ich weiterhin bei Bedarf Kontrastmittel einsetzen werde:

Fall 1:  Junge Patientin ist mit Fahrrad gestürzt und wurde im Spital nach unauffälliger E-Fast-Sonographie mit der Diagnose “Thorax-Kontusion” entlassen. – Sie meldet sich ein paar Tage später wegen persistierenden Schmerzen und Unfähigkeit zu arbeiten. Mit dem Ehrgeiz, allenfalls doch noch eine Rippenfraktur zu finden, haben wir sonographiert. Eine Rippenfraktur fanden wir nicht, dafür wenig frei Flüssigkeit im Bereich der Milz. – Die angeschlossene Kontrastmittelsonographie (Aufwand 20 Min Med. Praxisassistentin und 10 Min Arzt)  zeigte eine Milzruptur.

Fall 2: Senior mit ausgeprägtem Alkoholkonsum. – Ultraschall des Abdomens wegen Oberbauchschmerzen.  Dabei v.a. Zirrhose und einzelne Umbauherde, etwas unscharf mit angedeutetem Halo. Kontrastmitelultraschall wird angeschlossen und zeigt ein HCC mit deutlichem frühzeitigem washout-Phänomen. Der Patient konnte mit der “fertigen” Diagnose ins Zentrumsspital überwiesen werden und wartet inzwischen auf eine Lebertransplantation.

 


V/22 – 5.9.2022

Viktor Rüttermann, Drensteinfurt-Walstedde (D)

Es ist manchmal nicht ganz einfach, die Indikation zu einer Therapie mit einem Cholesterinsynthesehemmer sicher zu erfassen. Geht es im aktuellen Fall noch um Primär- oder bereits um eine Sekundärprävention? Welcher risikoadaptierte LDL-Zielbereich sollte angestrebt werden?

Klar wird dies oft erst, wenn bedauerlicherweise ein kardiovaskuläres Ereignis bereits eingetreten ist. Könnte man Plaques und die Möglichkeit einer Plaqueruptur bereits vor einem Apoplex oder Herzinfarkt erfassen, dann ließen sich frühzeitiger prophylaktische Maßnahme ergreifen. Die Visualisierung der Gefäßveränderungen würde es dann zudem außerordentlich erleichtern, Patienten zu Veränderungen des Lebensstils wie z.B. zur Nikotinkarenz oder mehr Sport zu motivieren. Ein Beispiel aus dem Alltag, das jedem von uns in ähnlicher Weise begegnet:

Herr C.P., 56 J., stellt sich nach dem stationären Aufenthalt zur Abklärung einer Amaurosis fugax in der Praxis vor. In den Untersuchungen hätte sich keine ausreichende Erklärung für das Ereignis gefunden. Insbesondere seien Langzeit-EKG und Angio-MR unauffällig gewesen. Er wolle die empfohlenen Medikamente (CSE-Hemmer, ASS) nicht nehmen, da keine Gefäßverengung vorliege. Auch zu einem Nikotinstopp könne er sich nicht durchringen.

Kann der Ultraschall die Beratung des Patienten unterstützen?


III/22   – 2.5.22

Catherine Mayer, Zofingen (CH)

Sonografie in der Hausarztpraxis    Erfahrungsbericht einer jungen Kollegin

Der Griff zur Ultraschallsonde – für mich eine nicht wegzudenkende Diagnostik als junge, angehende Hausärztin in der Hausarztpraxis. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht die Sonografie als zusätzliche Diagnostik benutze. «Frau Doktor, ich habe noch Schmerzen über den Rippen links nach einem Sturz mit dem Töffli vor 1 Woche» – Ein Blick mit dem Ultraschall – freie Flüssigkeit – Milzruptur. Als Notfall zwischendurch kolikartige Flankenschmerzen – sonografisch gestautes Nierenbecken. Aber nicht nur im Abdomen, auch im Bereich der Weichteile, Thorax, Gefässe hat man mit einer kurzen Untersuchung deutlich mehr Informationen und Sicherheit im Handling des Problems. Die schmerzende Kniekehle eines 70-jährigen Patienten mit Gonarthrose zeigte sonografisch eine Thrombose, die ich klinisch nicht erwartet hatte oder die darstellbare Abszesskollektion gluteal mit anschliessend erfolgreicher Inzision. Die Point of Care-Sonografie prägt meinen Alltag! Sie gibt mir ein Plus an diagnostischer Sicherheit, hilft mir bei der Entscheidung für das weitere Prozedere und stärkt auch das Vertrauen und die Beziehung zum Patienten.

Aber auch neben dem Point of Care-Ultraschall ist die gesamte Abdomensonografie bei klinisch nicht klar einzuordnenden abdominellen Beschwerden oder bei der Frage nach Tumorsuche eine wichtige zusätzliche Untersuchung und letztendlich für mich unverzichtbar.

Für die Sammlung der geforderten Ultraschalluntersuchungen für den Fähigkeitsausweis der Abdomensonografie ist es von grossem Vorteil wenn man neben Ultraschalluntersuchungen im Spital auch die Möglichkeit hat die Sonografie im hausärztlichen Alltag zu erlernen mit der Unterstützung eines Tutors/Tutorin. Ich war erstaunt wie gross das Einsatzgebiet und die Bedeutung der Sonografie in der Hausarztpraxis ist.

Ich bin begeistert und ein riesen Fan der Sonografie!

Catherine Mayer, Assistenzärtin Praxis Städli Aarburg

 


II/22  – 3.3.22

Viktor Rüttermann, Drensteinfurt-Walstedde (D)

Liebe Kollegin, lieber Kollege!
Haben Sie schon einmal daran gedacht, bei Verdacht auf eine Nervenläsion eine Ultraschalldiagnostik durchzuführen oder bei dieser Indikation zu überweisen?
Vielleicht motoviert Sie die folgende Kasuistik.
Kurz vor Weihnachten stellt sich ein 28-jähriger Patient mit seit 2 Wochen zunehmenden Parästhesien im Bereich des 4. und 5. Fingers der rechten Hand vor. Seit 2 Tagen könne er auch leichte Gegenstände wie einen Zahnputzbecher mit der rechten Hand nicht mehr sicher halten. Ein Trauma wird verneint. Vor einigen Monaten sei am Oberarm ein „Knoten“ operiert worden. Zur Dignität der Raumforderung kann der Patient keine Angaben machen.
Der Patient ist insbesondere wegen der deutlichen Verschlechterung der Symptome innerhalb weniger Tage sehr besorgt.

 


I/22 –  11.1.22

Heinz Bhend, Aarburg (CH)

Conclusions
aus Point‑of‑care ultrasound in primary care: a systematic review of generalist performed point‑of‑care ultrasound in unselected populations
Bjarte Sorensen and Steinar Hunskaar
Ultrasound J (2019) 11:31    (–> Link zum Paper)

Die Schlussfolgerungen aus dem obgenannten Artikel sind doch erwähnenswert:  Die Sonographie in der Hausarztmedizin nimmt rund um die Welt zu. Dies ist kaum erstaunlich. Die folgenden Statements aber dürfen herausgestrichen werden:

  • breite Anwendung in vielen Bereichen des Praxisalltags (ich habe mal für unsere Praxis zusammengestellt, wo wir Sonographie anwenden/angewendet haben –> Link)
  • für viele Fragestellungen sind die Ergebnisse der sonographischen Abklärung in der Hausarztpraxis sehr gut und die Sonograpie ein gutes Screening-Tool
  • für gewisse Probleme wie Fremdkörper oder Schulterluxationen sind Sonographie  und Röntgen gleichwertig
  • für nicht wenige Fragestellungen ist die Sonographie dem Röntgen überlegen: Rippenfrakturen, Tibia- und Fibula-Fraktur, Pneumothorax, Pneumonie (!) und “Pleuraschmerz” (pleuratic pain of any cause).
  • Die Ultraschallsonde in der Hand des Hausarztes/der Hausärztin kann die Zeit bis zur Diagnosestellung verkürzen

Bis das in der breiten Medizinerwelt angekommen ist, dauert es wohl noch ein wenig. Wir als Hausärzte können mithelfen, indem wir uns bereit halten, klar positionieren und diese Erkenntnisse einfach umsetzen.
Richtigerweise wird darauf hingewiesen, dass die sonographierende GP-Population nicht homogen ist und der Ausbildungsgrad oder die Kompetenz des Ultraschallers sehr variiert.
Gemäss Einstein (und G. Tamborrini, Basel*) gilt:  E = mc2. Dies bedeutet: Ergebnis der Ultraschalluntersuchung gleich “Machine” multipliziert mit “Kompetenz des Untersuchers im Quadrat”.  – Die Maschinen sind in en letzten 20  Jahren um einen Faktor 10 besser geworden (Schätzung). – Damit ist vieles  möglich/sichtbar, was früher  hinter einem Grauschleier verschwand.  Nun müssen wir Hausärzte dran bleiben unsere Kompetenz zu steigern. Ein erster Schritt ist die Motivation den Schallkopf immer “im Anschlag” zu halten, sich auszutauschen, Fortbildungen – online oder physisch vor Ort –  und “Sonokränzli” zu besuchen und einschlägige Literatur zu studieren.
Wir bleiben dran, mit unserer Homepage hier einen bescheidenen Support zu geben.

 

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